Die Erwachsenenadoption ist vor dem Hintergrund der Erbschaftsteuerreform im Jahre 2009 in das Bewusstsein der Nachlassplanung gerückt. Sie gilt als legitimes Gestaltungsmittel der Weitergabe von Familienvermögen.
Vielen Adoptiveltern und Adoptivkindern sind die oft erheblichen „Nebenwirkungen“ einer Erwachsenenadoption, insbesondere bezogen auf den Elternunterhalt oder das Namensrecht, nicht bekannt. Die in vielen Fällen vorhandene Wahlmöglichkeit zwischen einer Volljährigenadoption mit sog. schwachen Wirkungen und der Volladoption eines Erwachsenen mit starken Wirkungen sollte eruiert und die die passende Variante ausgewählt werden. Und zwar unbedingt im Vorfeld der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens.
Für die Annahme eines erwachsenen Kindes gelten gemäß § 1767 BGB die gleichen Voraussetzungen wie für die Minderjährigenadoption. Der Adoptionsantrag bedarf der notariellen Beurkundung und der Prüfung durch das zuständige Familiengericht, das letztendlich durch Beschluss entscheidet. Im Unterschied zur Minderjährigenadoption wird der Antrag von Annehmendem und dem Anzunehmenden gemeinsam gestellt.
Wesentliches, oft unterschätztes, aber streitanfälliges Erfordernis einer Erwachsenenadoption ist das Bestehen oder künftige Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Das Gericht hat dieses Hauptwesensmerkmal im Rahmen einer sittlichen Rechtfertigung zu prüfen. Und das tun die allermeisten Richter und Richterinnen auch im Rahmen einer Befragung, oft zur merklichen Überraschung aller Beteiligten in dem gerichtlichen Anhörungstermin.
Der Familienrichter oder die Familienrichterin kann nur aus den schriftlichen und mündlichen Erklärungen der Beteiligten auf das subjektive Vorhandensein eines Eltern-Kind-Verhältnisses schließen. Daher ist es für den Erfolg eines Adoptionsantrages notwendig, einen entsprechend ausführlichen und belastbaren Vortrag – nicht nur im notariellen Antrag, sondern auch im fortlaufenden Verfahren und in der mündlichen Verhandlung – zu präsentieren. Dabei muss konkret und unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung herausgebildeten Indizien vorgetragen werden. Kurze Floskeln sind wenig hilfreich, sogar kontraproduktiv, da sie nicht selten das Misstrauen des Gerichts wecken.
Wenn vom Gericht in nachprüfbarer Weise das Eltern-Kind-Verhältnis nicht festgestellt werden kann, geht dieses Manko zu Lasten der Antragsteller oder Antragstellerinnen und führt zur Abweisung des Adoptionsantrages. Gerade bei einem zeitlich noch kurzen oder noch zu erwartenden Eltern-Kind-Verhältnis muss ausführlich vorgetragen werden.
Das familienbezogene Eltern-Kind-Verhältnis muss das Hauptmotiv der Adoption sein. Nicht familienbezogene Nebenmotive, wie die Ausnutzung eines erbschaftsteuerlichen Freibetrages und der niedrigen Steuerklassen, die Annahme eines Adelsnamens, etc. sind legitim, führen aber allein nicht zum Erfolg eines Adoptionsantrages.
Bei minderjährigen Kindern gibt es nur eine Adoptionsform; bei Erwachsenen hingegen zwei Möglichkeiten.
Die Adoption eines Erwachsenen kann eine sog. schwache Adoption sein. Die Erwachsenenadoption hat damit nur teilweise die Wirkungen einer Minderjährigenadoption, eben sogenannte schwache Rechtswirkungen, z.B. bei der neu entstehenden Verwandtschaft. Diese ist knapper ausgestaltet.
Der angenommene Erwachsene wird zwar das Kind des oder der Annehmenden und auch die eigenen Kinder des oder der Angenommenen werden von dieser Adoption erfasst. Das heißt, der Adoptivelternteil erhält zusätzlich zum Adoptivkind auch noch Enkelkinder, sofern das Adoptivkind schon welche hat. Es entstehen aber keine Verwandtschaftsverhältnisse zwischen dem adoptierten Erwachsenen und den weiteren Verwandten des Adoptierenden, z. B. Onkel und Tanten erhalten keine neue Nichte und keinen neuen Neffen. Auf der Seite des angenommenen Erwachsenen bleiben dessen verwandtschaftliche Beziehungen zu seinen eigenen leiblichen Eltern in vollem Umfang bestehen. Das führt bei dem angenommenen Erwachsenen zu einer Häufung von Elternteilen, es können bis zu vier Elternteile nach der Adoption vorhanden sein. Völlig legal.
Die Konstellation des Mehrelternverhältnisses hat wiederrum erhebliche Auswirkungen auf das Erbrecht und den unterhaltsrechtlichen Bereich.
Verstirbt der angenommene Erwachsene selbst kinderlos, wird er von seinen leiblichen und zudem von seinen Adoptiveltern beerbt. Je nachdem, ob beim Ableben des adoptierten Erwachsenen noch leibliche oder Adoptiveltern und wenn ja, wie viele vorhanden sind, kommt es zu einer quotenmäßigen Beteiligung an dem Nachlass des Angenommenen. Wird ein kinderloses erwachsenes Kind adoptiert, sollten alle Beteiligten dringend über eine testamentarische Gestaltung nachdenken, um unliebsame erbrechtliche Folgen zu vermeiden.
Hinterlassen die Adoptiveltern lediglich den von ihnen angenommenen Erwachsenen, beerbt im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge seine Adoptiveltern. Verstirbt dann der angenommene Erwachsene selbst kinderlos und ggf. noch unverheiratet, so beerben seine noch lebenden leiblichen Eltern bzw. die noch lebenden leiblichen Geschwister den angenommenen Erwachsenen. Über diesen Umweg kann das Vermögen der Adoptiveltern über das angenommene erwachsene Kind letztendlich bei dessen leiblichen Eltern oder Geschwistern landen. Auch hier ist über eine Nachfolgeplanung nachzudenken.
Das Erbschaftsteuerrecht ist bei der Erwachsenenadoption schon freundlicher ausgestaltet: Auch die Annahme eines Volljährigen mit schwachen Wirkungen bedingt einen Wechsel in die günstigste Steuerklasse und die erbschaftsteuerlichen Freibeträge von 400.000,00 € pro Kind.
Wenn die leiblichen Eltern des erwachsenen Adoptivkindes unterhaltsbedürftig werden (Stichwort Elternunterhalt), beispielsweise aufgrund einer Pflegebedürftigkeit, kann das als Erwachsener und mit schwachen Wirkungen adoptierte Kind immer noch herangezogen werden. Mit der Adoption begründen sich zudem wechselseitige Unterhaltspflichten zwischen den Annehmenden und dem angenommenen Erwachsenen. Für den angenommenen Erwachsenen verdoppeln sich somit gegebenenfalls die Unterhaltspflichten, wenn zu den leiblichen Eltern auch noch die Adoptiveltern unterhaltsbedürftig werden. Das kann zu einer erheblichen Belastung werden.
Wenn eine Volljährigenadoption in Betracht kommt, sollte daher darüber nachgedacht werden, ob die Volljährigenadoption nicht gemäß § 1772 BGB mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption als sog. Volladoption beantragt werden kann.
Unter im Gesetz genau normierten Vorgaben kann die Volljährigenadoption mit den starken Wirkungen einer Minderjährigenadoption ausgestattet werden. Man tut so, als ob der Erwachsenen noch ein Kind wäre und gibt ihm oder ihr entsprechende Rechte.
Das hat u.a. zur Folge, dass der Erwachsene genau wie das minderjährige adoptierte Kind vollständig aus seinem eigenen Familienverband herausgelöst und nicht nur mit dem Annehmenden, sondern auch dessen vollständiger Verwandtschaft verbunden wird. Die Geschwister des Adoptivvaters und/oder der Adoptivmutter erhalten eine Nichte und einen Neffen. Und umgekehrt.
Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den leiblichen Eltern fallen ebenso weg wie das gesetzliche Erbrecht mit der leiblichen Familie und zwar in beide Richtungen. Inanspruchnahmen durch das Sozialamt aufgrund der Pflegebedürftigkeit der leiblichen Eltern müssen nicht mehr erwartet werden. Ebenso wenig sind die leiblichen Eltern noch pflichtteilsberechtigt.
Die Volladoption eines Erwachsenen nach § 1772 BGB ist zum Beispiel möglich im Falle einer Stiefkindadoption; wenn der Annehmende das schon erwachsene Kind seines Ehegatten adoptiert. Weiterhin ist die Erwachsenenadoption mit starken Wirkungen möglich, wenn gleichzeitig ein minderjähriges oder volljähriges Geschwisterkind angenommen wird oder der anzunehmende Erwachsene bereits als Minderjähriger in der Familie des Annehmenden gelebt hat. Nicht selten werden Pflegekinder kurz nach Erreichen der Volljährigkeit von ihren Pflegeeltern volladoptiert. Hier verweigern oft die leiblichen Eltern ihre Zustimmung zur Minderjährigenadoption.
Fazit: Die Erwachsenenadoption kann in beiden Ausgestaltungen als Instrument der Nachlassplanung genutzt werden. Dabei darf der Hauptzweck der Adoption, das Eltern-Kind-Verhältnis, verfahrensintern nicht vernachlässigt werden, um dem Vorhaben zum Erfolg zu verhelfen. Die Auswahl der richtigen Adoptionsform in Zusammenhang mit dem Erbrecht ist entscheidend. Die anwaltliche Beratung im Vorfeld der Antragstellung und die Vertretung im familiengerichtlichen Verfahren dienen gerade in diesem Bereich der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der Nutzung der vorhandenen Möglichkeiten.